Triggerwarnung: Krieg.
Disclaimer: Krieg ist nie die richtige Lösung und es gibt nur Verlierer. Krieg kostet Menschenleben, zerstört Familien und spaltet die Gesellschaft. Wenn man über wirtschaftliche Folgen von Krieg spricht, darf man das nie vergessen.
Wir, das Team von shiftee, verurteilen den Angriffskrieg Russlands auf das Schärfste und bekunden unsere Anteilnahme an allen Opfern des Konflikts.
Um die Auswirkungen des Ukrainekonflikts auf den Energiemarkt begutachten zu können, bedarf es zunächst einer Einordnung in den geopolitischen Kontext.
Seit Beginn 2021 hat Russland seine militärische Präsenz entlang der ukrainischen Grenze aufgerüstet und tausende Soldaten und Kriegsgeräte dort stationiert. Präsident Putin begründete diese erhöhte Militärpräsenz damit, dass die Ukraine eine Offensive im Donezbecken plane. Er sagt, die Ukraine hat dort selbst tausende von Soldaten stationiert. Weiterhin behauptet Russland, dass an der russischen Minderheit in der Ostukraine ein Völkermord verübt wird. Doch weder die OSZE noch die UNO haben Beweise dafür.
Seitdem überschlagen sich die Ereignisse. Mitte Februar 2022 erkennt Präsident Putin die beiden zum Staatsgebiet der Ukraine gehörenden Gebiete Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten an. Diese haben sich kurz davor zu unabhängigen Republiken ausgerufen, die jedoch international nicht anerkannt sind. Der ukrainische Präsident Selenskyj ruft den Kriegszustand aus und ordnet die allgemeine Mobilmachung an. Seit dem 24. Februar 2022 greifen russische Streitkräfte flächendeckend die Ukraine an.
Deutschland ist der größte Importeur von russischem Erdgas. Derzeit kommt mehr als die Hälfte der Gasversorgung in der Bundesrepublik aus Russland. Zum Vergleich: Mitglieder der europäischen Union beziehen im Mittel 40% ihrer Gasversorgung aus Russland. Sollten Gasimporte aus Russland also ausbleiben, sei es durch westliche Sanktionen oder weil Putin „den Hahn zudreht“, hat das Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Erdgas ist nämlich immer noch zweitwichtigster Brennstoff in Deutschland. Der Erdgasverbrauch soll sich laut Prognosen zudem bis 2040 leicht erhöhen, da es als wertvolle Brückentechnologie in Richtung Null-Emissionen gilt. Die Abhängigkeit in der Gegenwart und Zukunft ist also deutlich erkennbar. Die Abhängigkeit geht sogar so weit, dass sie die deutsche Regierung an drastischeren Sanktionen hindert: Stichwort Swift-Ausschluss. Banken, die den Zahlungsverkehr für Gas abwickeln, werden zunächst nicht sanktioniert.
Vom Ausbleiben der Importe sind also ganze Industriezweige betroffen. Aber auch der einzelne Verbraucher. Weitere Gaspreissteigerungen sind mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Wie sich ein Gasimport-Stopp auf den privaten Energiemarkt auswirkt, lässt sich erahnen, wenn man einen Blick auf die vergangenen Monate wirft. Der massive Anstieg der deutschen Energiepreise ist nämlich maßgeblich auf einen Anstieg der Gaspreise zurückzuführen. Und dieser ist wiederum durch eine künstliche Verknappung von russischer Seite Ende 2021 entstanden. Ein weiterer Anstieg der Energiepreise kann dazu führen, dass mehr Kunden in Zukunft ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr zahlen können, meinen mehrere kommunale Energieversorger.
Kurzfristig besteht aufgrund des Frühlingsanfangs keine Gefahr des Überstrapazierens von Erdgas als Wärmelieferant. Die Besorgnis für den Winter 2022/2023 ist jedoch größer: Hier ist eine Krisenvorsorge der Bundesregierung gefordert, damit es nicht zu noch drastischeren Engpässen kommt. Das heißt konkret, dass Gasspeicher ausreichend gefüllt werden müssen. Die Klimaökonomin Claudia Kemfert fordert deswegen auch eine strategische Gasreserve, die Deutschland im Ernstfall über mehrere Monate versorgen kann.
Im Bereich der Stromversorgung könnten Kohlekraftwerke kurzfristig einspringen. Auf keinen Fall darf hier aber der Fehler gemacht werden, über einen späteren Kohleausstieg oder eine Verlängerung der Atomkraftwerke nachzudenken. Die nationale Akademie der Wissenschaften befürwortet die kurzfristige Erhöhung der Kohleverstromung. Mittelfristig muss sich Deutschland aber eine robuste Reserve an Energieträgern aufbauen und die Infrastruktur für deren Verteilung erweitern. Langfristig sind der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Infrastruktur für den Wasserstoffimport die effektivsten Maßnahmen.
Wer als Verbraucher jetzt schon so unabhängig wie möglich sein möchte, sollte mit seinem Haushaltstrom zu echtem Ökostrom wechseln. Dieser stellt nicht nur sicher, dass 100% des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommt, sondern auch, dass die Energiewende aktiv vorangetrieben wird. Während Ende 2021 viele Verbraucher unglaubliche Preiserhöhungen bekamen, konnten einige Kunden von echten Ökostromanbieter von deren Unabhängigkeit profitieren. Da die Ökostromanbieter ihren Strom selber in Deutschland z.B. mit Solar- oder Windparks produzieren, waren sie nicht gezwungen die steigenden Strompreise an ihre Kunden weiterzugeben.
Welche Schlüsse kann man aus den Auswirkungen des Ukrainekonflikts auf den deutschen Energiemarkt ziehen?
Eine geopolitische Krise löst die Klimakrise nicht ab, sondern verschärft sie unfreiwillig. Als ideale Möglichkeit bietet sich also an, sowohl die Energiewende zu beschleunigen und dadurch auch den Frieden zu wahren.
Die sinnvollste Lösung für den Weg zur Energieunabhängigkeit stellen erneuerbare Energien dar. Wind- und Solarkraftquellen gibt es in Deutschland zu genüge, sodass man auf weniger Importe aus dem Ausland angewiesen ist. Die Diversifizierung dieser Energieimporte ist ein wichtiger Schritt, um sich aus einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu lösen. So kann ein Staat seine Freiheit und Souveränität sichern. „Ein Plädoyer für heimische erneuerbare Energien ist auch ein Plädoyer für Freiheit und Wohlstand“ schlussfolgert Dr. Michael Steiner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. Um zukünftig fossile Energiekriege zu verhindern, ist eine Energiewende mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien essenziell.